1919 - Das Haus am See 2005
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Von Kerstin / Frl. Luise


„Ich sage Euch abermals, erwecket keine, welchen Ihr nicht auszutreiben vermöget; will sagen, keinen, welcher etwas gegen Euch erwecken kann, wogegen Eure mächtigste Zauberey nichts ausrichten könnte.“
Borellus

Inzwischen sind einige Monate vergangen und noch immer bin ich im Landhaus des Richard Amsick. Und jeden Abend, wenn ich zu Bett gehe, hoffe ich am nächsten Tag aufzuwachen und es ist wieder wie früher. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass alles, was während der Geburtstagsfeierlichkeiten des Hausherrn nicht geschehen wäre. Und jeden Morgen, wenn ich erwache und die krächzende Stimme des Richard Amsick höre, werde ich eines Besseren belehrt. Ich sollte wohl demnächst meine Koffer packen und von hier verschwinden. Leider ist der Traum von Berlin ja verpufft, wurde Ida doch zu guter Letzt von einem der Gäste ermordet. Von wem, ist bis heute nicht ermittelt worden.

Fast alle Gäste haben nach all den unglaublichen Vorfällen das Landhaus fluchtartig verlassen, insofern sie wie Hercule Poirot noch in der Lage dazu waren. Die meisten anderen dürften in irgendwelchen Sanatorien sitzen und auf ihr Ende warten. Einzig Aleister Crowley ist geblieben und fast wie ein Sklave macht er alles, was der Herr von ihm verlangt. Gemeinsam brüten sie über irgendwelchen Schriften, die sie immer sehr schnell bedecken, wenn ich ihnen etwas Tee oder andere Getränke vorbeibringe. Aber auch das kommt nur noch sehr selten vor. So bin ich einzig und allein noch für die Ordnung im Haus zuständig und muss ab und an unliebsame Gäste wegschicken. Wie konnte es nur so weit kommen. Bevor ich Friedrichswalde endgültig verlasse, muss ich mir all das, was in der Familie Amsick geschehen ist und soweit es mir bekannt ist, von der Seele schreiben.

Schon meine Mutter hat mir auf ihrem Sterbebett einige der unglaublichen Dinge anvertraut, die sich im Hause Amsick abgespielt haben. Sie war es, die mir erzählte, dass der Vater Richard Amsicks Hubertus Amsick seinen Töchtern gegenüber nicht nur väterliche Gefühle hegte. Inzwischen weiß ich nur zu gut, was sie damit meinte. Wie konnte ich nur so blauäugig sein und das alles jahrelang verdrängen. Nun gut, es ist geschehen und nicht mehr rückgängig zu machen. Ein besonderes Verhältnis hatte Richard Amsick, so erzählte mir meine Mutter, zu seiner ältesten Tochter Hilde, die er ab ihrem zehnten Lebensjahr mindestens einmal im Monat nächtens besuchte. Dies konnte er dann zwei Jahre später auch ganz offen tun, denn seine damalige Frau und Mutter von Hilde, erlag ihren schweren Depressionen, an denen der alte Amsick wohl nicht ganz unschuldig war. Kurze Zeit später brachte Richard Amsick dann seine neue große Liebe Marlene ins Haus, ein paar Monate später waren die beiden verheiratet.
Und eines Tages geschah, was unweigerlich geschehen musste. Meine Mutter erzählte mir, nachdem sie mir das Gelübde abnahm, mit keinem Menschen darüber zu sprechen, dass die gute Hilde eines Tages gemeinsam mit ihrer Stiefmutter, die selbst gerade einmal 19 Jahre alt war und ihren Mann geradezu vergötterte, für einige Monate auf einem Gut der Familie in der Schweiz lebte. Und dann kam Marlene ohne Hilde, dafür mit einem neugeborenen Jungen zurück. Inzwischen ist mir klar, dass Hilde diesen Jungen geboren hat und ihr Vater ebenso der Vater des Jungen ist. Und der Junge ist Richard Amsick. Wie widerlich. Hilde selbst wurde nach der Geburt des Kindes abgeschoben und bei Verwandten in England unterbracht. Allerdings war sie seit dieser Zeit ein anderer Mensch. Alpträume machten ihr das Leben schwer und so wurde sie immer schwermütiger. Sie verbrachte immer mehr Zeit im Sanatorium, das sie wohl seit 1912 nicht mehr verlassen hat. Die wenigen Briefe, die sie mir aus England schrieb, in denen sie den Verdacht hegte, dass ihr Vater auch der Vater ihres Sohnes sei, habe ich versucht ihr auszureden. Ich wollte es vielleicht selbst nicht wahrhaben, obwohl ja meine Mutter schon dergleichen Andeutungen gemacht hatte.
1859 kam also Richard von Amsick ins Haus. Und wurde von seiner Stiefmutter großgezogen und von meiner Mutter dabei unterstützt. Ich selbst wurde 1862 geboren. Meine Mutter hat mir viel von Richard erzählt, was heißt erzählt, eigentlich hat sie mir von diesem ruhigen Jungen vorgeschwärmt. Wie sagte sie immer, „Ich solle mir einmal von ihm eine Scheibe abschneiden.“ Ich war ihr wohl zu lebendig. Nur ein einziges Mal erzählte sie etwas seltsames von Richard: Er soll „wegen irgendwelcher Stimmen im Kopf, diesen immer wieder gegen die Wand geschlagen haben.“ Kurze Zeit später schickte ihn sein Vater dann ins Internat, welches er nur selten verließ. Und wenn er dann einmal in Hamburg war, verbrachte er sehr viel Zeit mit seiner Schwester Hilde, die beiden hatten ein sehr inniges Verhältnis zueinander. Eben ein Verhältnis wie Mutter und Sohn.
Nach dem Internat und einem einjährigen Militärdienst zog es Richard Amsick vor, sein Studium in Prag aufzunehmen. So wurden seine Besuche noch seltener. Als meine Mutter krank wurde, sorgte sie dafür, dass ich in die Dienste der Amsicks übernommen wurde und so lebe ich seit 1885 im Haus der Amsick. Ich selbst habe Hubertus Amsick als äußerst liebenswürdigen Menschen kennen gelernt, der – immer einen flotten Spruch auf den Lippen – die Menschen faszinieren konnte. Richard Amsick kam im selben Jahr nach Hamburg zurück und so lernte ich den jungen Mann kennen, von dem meine Mutter immer in den höchsten Tönen geschwärmt hatte. Zu diesem Zeitpunkt lebte nur noch ein Kind im Hause und zwar Frieda Amsick, das einzige Kind von Marlene und Richard Amsick. Marlene selbst war im Kindbett gestorben. So war meine alte Mutter die ersten Jahre für das Wohl des Kindes zuständig, 1885 übernahm ich die Aufgabe. Frieda war damals 6 Jahre alt. Die meiste Zeit verbrachte Frieda allerdings bei ihren Tanten in der Nähe von Hamburg.

Von Richard Amsick bekam ich nur sehr wenig mit, aber gerade seine Distanziertheit war es, die mich unweigerlich in seinen Bann zog. In den folgenden Jahren verweilt er noch oftmals in Prag aber verbringt auch sehr viel Zeit in Bibliotheken. Im Laufe der folgenden Jahre zieht er sich immer weiter zurück und häufige Dispute mit seinem Vater lassen den Schluss zu, dass Amsick hinter das Familiengeheimnis gekommen war. 1891 stirbt der alte Amsick und hinterlässt seinem Sohn sämtliche Geschäfte, die dieser sehr schnell vernachlässigt. Nur Dank des schon Jahre im Handelskontor tätigen von Güstrow bringt Richard Amsick nicht das gesamte Familienvermögen durch. Niemand weiß allerdings, wofür er all das Geld braucht. Denn soviel Geld können seine zahlreichen Reisen, die ihn in die entferntesten Regionen der Erde brachten, nicht gekostet haben. Aber vielleicht waren es all die Gegenstände, die er von seinen Reisen mitbrachte, die so teuer waren, obwohl sie oftmals wie Plunder aussahen.
Im Jahre 1908 verbrachte Richard Amsick einige Zeit in Dänemark bei Familie Jansen. Dort schienen auch sehr seltsame Dinge passiert zu sein. Auf alle Fälle kam Richard Amsick mit einer größeren Kiste zurück, die er auf seinem Schiff verschloss.
Ansonsten habe ich Amsick nur selten gesehen, denn selbst wenn er gerade nicht irgendwo im Ausland weilte, zog er sich in seine Gemächer zurück und war kaum ansprechbar. Auch Besuch bekam er nur selten. Ab und an tauchte ein Graf von Putbus vorbei, mit dem Richard Amsick sich angeregt unterhielt. Einzig das Wort slawisch ist mir noch in Erinnerung. Was auch immer das zu bedeuten hat.
1912 war ein besonderes Jahr, denn im Frühling war Richard Amsick ausgesprochen fröhlich und ausgelassen und vor allem sehr spendabel. Auch seinen Hausangestellten gegenüber. Einzig die Feier nach dem Untergang der Titanic hat mich doch etwas durcheinander gebracht. Ende des Jahres war dann alles anders. Richard Amsick’s Stimmungen wechselten manchmal stündlich. Teilweise war er nicht ansprechbar. Ab und an stotterte er. Dann wieder war er die Freundlichkeit in Person.

Als der Krieg begann, hatte ich andere Sorgen und Richard Amsick trieb sich weiter in der Weltgeschichte herum und war nur sehr selten zu Hause. Seine einzig vertraute Person war sein Butler Friedrich, der Richard Amsick auf all seinen Reisen begleitete. Allerdings ließ auch Friedrich mich wissen, dass er über die starken Stimmungsschwankungen Richard Amsicks sehr verwundert sei. Und er manchmal das Gefühl habe, dass Richard Amsick in sich zwei Seiten vereine. Auch schien Richard Amsick unter Schlafstörungen zu leiden.
Die letzten beiden Jahre verbrachte Richard Amsick seine Wochenenden immer öfter in Berlin, was er dort machte, konnte ich leider nie in Erfahrung bringen. Und dann kam er im Sommer 1918 mit der Nachricht, dass wir nach Friedrichswalde ziehen würden. Er hätte dort ein Haus erstanden, in dem er seinen Lebensabend verbringen wolle. Also zogen wir mit den notwendigsten Dingen nach Friedrichswalde. Richard Amsick selbst verbrachte seit dem Einzug sehr viel Zeit im Keller und machte ausgedehnte Spaziergänge. Was auch immer er in dem Keller machte, niemand außer ihm durfte ihn betreten. Die nächste Überraschung war, als Richard Amsick entschied seinen  Geburtstag zu feiern. Denn er hatte seit Jahren dieses Fest nicht mehr gefeiert. Schon gar nicht mit seiner Familie und Gäste waren ihm eigentlich zuwider. Er selbst gab uns nur eine Liste der Gäste, die wir einladen sollten, von denen zumindest mir die meisten völlig unbekannt waren. Beim Durchlesen dieser Liste wunderte ich mich ab und an über die seltsame Schrift des alten Herrn. Je näher der Tag des Festes rückte, um so aufgedrehter wurde Richard Amsick, es schien so, als würde er sich sehr auf diese Feier freuen. Wenn mir nur da schon klar gewesen wäre, was auf mich zukommt.
Die Festvorbereitungen ließen mir jedoch keine Zeit, über das Verhalten Richard Amsicks genauer nachzudenken, vor allem, warum er längere Zeit mit seinem Notar Dr. Blümlein zusammen saß und in vielen Papieren versunken war. Schließlich mussten Friedrich und ich einige Testamente unterschreiben. Aber wie schon gesagt, wir fanden keine Zeit uns darüber Gedanken zu machen.
Und dann war da noch das Zimmermädchen Ida, das schon lange in diesem Haus gedient hatte und nun quasi mit übernommen worden war. Ich weiß ja nicht, was mit dieser Person los war. Gott hab sie selig, denn ein solches Ende hat sie sicherlich nicht verdient. Ihre Wände waren mit den seltsamsten Symbolen beschmiert. Und sie pfiff so viel, wenn sie im Haus umherlief und die Zimmer sauber machte. Und dann verließen uns einige der Hausangestellten, die gerade erst ein paar Monate für uns arbeiteten. Auch wurde sehr viel im Dorf getuschelt, wenn ich Besorgungen machte. Warum weiß ich bis heute nicht. Ob es an dem Haus liegt, oder ob sie Richard Amsick kannten?

Als alle Gäste da waren, dachte ich, es könnte doch ein schönes Fest werden. Die Gäste amüsierten sich beim Sektempfang, das Essen schmeckte, wenn auch ein Großteil des Hauspersonals leider das Weite gesucht hatte und Ida und der Butler in der Küche aushelfen mussten, anstatt die Gäste angemessen zu bedienen.
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse und endeten in einem Fiasko.
Erst dieser Überfall dieser Taugenichtse, die nichts besseres zu tun haben, als Gäste zu bedrohen, um an irgendwelche Dinge zu gelangen. Ich weiß bis heute noch nicht, was in diesem Haus fehlt. Allerdings hatte mir Amsick auch schon sehr früh klar gemacht, dass es für mich besser wäre, bestimmte Dinge nicht allzu genau zu betrachten, geschweige denn sie zu berühren. Und dieses Pack schreckte nicht zurück, die Schwester des netten und freundlichen Dr. Eisen in ihre Gewalt zu bringen, wie ich beim unvermeidlichen Mithören eines Telefongesprächs erfahren habe. Ich hoffe, dass diese Verbrecher inzwischen hinter Schloss und Riegel sitzen.
Über die kleineren Auseinandersetzungen unter den Gästen möchte ich gar nicht reden, von Politik verstehe ich nichts und wenn sie sich unbedingt die Köpfe einschlagen müssen, sollen sie es doch tun. Für solche Fälle sind die Gendarmen zuständig. Also ging ich irgendwann in den frühen Morgenstunden schlafen und wurde nur wenige Stunden später von Friedrich geweckt. Kreidebleich stammelte er: „Der Hausherr, er ist tot.“ Mir entfuhr ein entsetzlicher Schrei, denn ... Nein, das konnte nicht sein.
Noch heute treten mir die Tränen in die Augen, wenn ich an den Anblick Richard Amsick denke, wie er da in seinem Bett liegt. Ich weckte seine Schwester und seinen Neffen, die beide sehr verstört waren, denn mit seinem Tod hat wohl niemand gerechnet. Ich erinnerte mich an die Testamente und so riefen wir den Notar an, der sich auch sofort auf den Weg machte. Die meisten Gäste allerdings waren von dem Tod nicht sonderlich beeindruckt, zumindest ließ ihr Appetit nicht zu wünschen übrig. Mir tat die Ablenkung in der Küche gut, sonst hätte ich mir wohl die Augen ausgeweint, denn obwohl Richard Amsick sich in der letzten Zeit immer unfreundlicher mir gegenüber verhalten hat, war ich ihm noch immer sehr zugetan.

Wenn ich die Ereignisse richtig verstanden habe, wurde Richard Amsick ermordet, dringend der Tat verdächtigt und wohl auch überführt oder aber rechtzeitig gestorben – weil sie sich selbst mit der Tatwaffe vergiftet haben sollen – sind die beiden so freundlichen Gäste Frau Laschnikowa und ihr Begleiter Freiherr von Reichenbach und Steegen gewesen. Und Frau Laschnikowa hat der guten Ida noch ihren Schmuck vermacht, mit dem Ida ein neues Leben in Berlin beginnen wollte.
Was sich allerdings nach der Testamentseröffnung abspielte, ist mir bis heute schleierhaft. Ich verstehe und will nicht verstehen, was all diese Menschen dazu bewogen hat, diese seltsamen Dinge zu tun. Das ganze Blut, dass in den Toiletten und Badezimmern verteilt war und von den Wänden gekratzt werden musste....., war ja im Nachhinein sehr harmlos. Nur eines verlief, wie es sich für eine Festlichkeit ziemt, das Essen schmeckte und es schien auch im Sinne des Hausherrn gewesen zu sein, dass nicht getrauert sondern gefeiert wurde und das ausgiebig.
Nun gut. Nachdem das Testament verlesen war, begannen doch einige der Gäste im Haus und auch draußen umher zu eilen.. Sie schienen wohl aufgrund der Testamente so aufgebracht zu sein und waren auf der Suche nach irgendwas. Ich selbst hatte keine Ahnung vom Inhalt der Testamente, auch wenn ich sie als Zeugin unterschrieben hatte, denn ich vertraute doch dem Herrn Amsick blind. Deshalb habe ich die Testamente nicht gelesen. Und da ich weiterhin in der Küche beschäftigt war – war doch auch der Koch gar nicht erst gekommen – habe ich kaum etwas von den Dingen, die sich dann im Haus abspielten mitbekommen. Nur zwei seltsame Rituale habe ich selbst beobachtet.

Rittmeister von Prosch kniete am Ufer des Sees, während ein Boot auf diesen hinausfuhr und verlas einen seltsamen Text. Einige der Gäste standen sehr andächtig dabei. Es hatte etwas von einer Bestattung, viel Rauch und einige Getränke gaben dem Ganzen sogar etwas Stilvolles. Irgendetwas wurde dann im See versenkt. Rittmeister Prosch war nach dem Ende der Zeremonie allerdings nicht mehr ansprechbar. Er zog sich in den Wald zurück und wich allen anderen Gästen aus, so als widerten sie ihn an oder als hätte er Angst vor ihnen. Auch die anderen, die an der Zeremonie teilgenommen hatten, wirkten teilweise etwas verstört. Ich selbst merkte kaum etwas, nur dass ich ab und an dachte, Nein, Amsick ist nicht tot, er kann nicht tot sein. Ansonsten saßen die Gäste meist im Raucherzimmer und fabulierten, spielten, stritten sich und in dieser Nacht soll eine Art „Geist“ aufgetaucht und im Haus umhergeschlichen zu sein, schweigend mit weißem maskenhaften Gesicht, einer Sichel und einer schwarzen Kutte. Aber irgendwann war die Gestalt wieder verschwunden...
Einer der Gäste ertränkte sich im See....
Und dann kam endlich der Polizist des Dorfes und brachte etwas Aufklärung in all die Vorfälle, denn Hercule Poirot nahm wohl all die Veränderungen nicht wirklich wahr, zumindest verhielt er sich so.
Es folgte ein weiteres Ritual, an dem wiederum sehr viele Gäste teilnahmen, dabei wurde eine Ente geschlachtet und auch danach verhielten sich einige der Gäste immer seltsamer, allerdings nicht alle gleich sondern jeder auf seine eigene Art und Weise.
Im obersten Stockwerk tauchten auch noch unzählige Insekten auf, die schlussendlich zu einer Leiche, die angeblich gar nicht tot sondern nur so gut wie tot gewesen sein soll. Und ihre Augen und der Mund waren zugenäht. Ich selbst habe nur einen sehr kurzen Blick auf die Leiche geworfen und wieder kam mir der Gedanke in den Kopf, Richard Amsick lebt. Bei der scheinbar Toten soll es sich um das Kindermädchen von Frau Jansen gehandelt haben. Und Herr Crowley meinte immer nur, lasst sie wo sie ist, nur nicht öffnen. Ich weiß gar nicht, was aus ihr geworden ist. Inzwischen sind aber keine Insekten mehr im Haus, alles ist wieder sauber.
Inzwischen war auch der Geistliche völlig durcheinander. Hochwürden hat Frau Tereschkowa umgebracht und ihr die Kehle durchgeschnitten, um an ihr Blut zu kommen. Wie war so etwas Unmenschliches nur möglich? Dann fand wohl im Keller ein weiteres Ritual mit dem Leichnam des Hausherrn statt, an dem ich aber nicht teilgenommen habe. Denn mich hätten keine zehn Pferde in den Keller gebracht auch nicht das Versprechen auf großen Reichtum. Denn noch heute habe ich die Worte Richard Amsicks im Ohr: Meine liebe Luise, betreten sie nie, ich sage ihnen NIE den Keller.
Am Sonnabend fand dann das große Abendessen statt, das Geburtstagsgeschenk von Frau Mc Fae, welches auch sehr großen Anklang fand. Hochwürden Fallbinger war inzwischen gefesselt und wurde von den Nonnen, die ihn begleiteten, nicht mehr aus den Augen gelassen. Man musste ihn sogar füttern. Und während des Essens kamen diese Erpresser wieder. Irgendwer hatte eine Bombe unter dem Tisch deponiert, deren Rauch die Gäste in einen tiefen Schlaf fallen ließ. Als dann doch einige der Gäste wieder erwachten, kam es zu einer Schießerei, bei der der Lude aus Berlin, den alle nur „den Dicken“ nannten, starb. Da hat es in meinen Augen nicht den Falschen erwischt.

Und irgendwann gegen Morgen – die meisten der Gäste schliefen – geschah etwas, was mich bis heute doch beunruhigt. Richard Amsick, der noch immer im Keller aufgebahrt war, mischte sich – etwas blass und langsam – wieder unter die Gäste, dass zumindest wurde mir so erzählt. Denn ich selbst war nicht zugegen. Er sprach mit niemandem, aber er war da. Und dann sollen nicht mehr nur ein sondern zwei dieser Geister mit den weißen maskenhaften Gesichtern aufgetaucht sein und es schien so, als ob sie Richard Amsick in Schach halten konnten. Einige der Gäste sollen dann irgendwelche Formeln gesprochen haben, wohl weil sie dachten, Richard Amsick sei ein Dämon oder etwas in der Art, aber er lachte sie nur aus. Dann sei Herr Crowley wohl in Richtung See verschwunden und nach einiger Zeit sind dann die beiden Geister in sich
zusammengefallen. Ob Herr Crowley etwas damit zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
An diesem Abend gab es allerdings noch weitere Tote, wie sie zu Tode gekommen sind, weiß ich allerdings nicht, ich musste anschließend nur all das Blut beseitigen. Es starben: Das Zimmermädchen Ida, Herr Walldorf zu Veldenstein und Franz Stadler und Richard Amsicks Prokurist von Güstrow.
Inzwischen waren alle Gäste ob der Tumulte erwacht und verließen, soweit sie noch Herr ihrer Sinne waren das Haus. Sie ließen alles zurück und liefen so schnell sie konnten, davon. Was aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht. Alle anderen mussten in Sanatorien eingeliefert werden und dort dürften sie noch immer sein.
Und ich verrichte weiterhin meine Dienste in diesem Haus und habe es doch von Anfang an gespürt, dass Richard Amsick gar nicht tot war. Auch wenn er inzwischen noch seltsamer geworden ist und ich ihn kaum mehr zu Gesicht bekomme. Ich werde wohl irgendwann von hier verschwinden......

Fräulein Luise Oehlers

Post Scriptum: Auch ich war Zeuge einer gar seltsamen Begegnung in einer der Nächte. Ein grünes recht seltsam aussehendes Wesen, dass sehr seltsame Laute von sich gab, brachte irgendetwas zurück. Ich selbst habe mich sehr schnell zurückgezogen und ich weiß nicht, was das war......

Und trotzdem: Froschmänner gibt es nicht.


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