TOROSH I - Sommer 1999
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von Swen alias Ankou

Duisburg, den 01.07.99

Hallo liebe Interbomb-Gemeinde,

ich habe gerade mein erstes Live-Rollenspiel hinter mir gelassen... besser gesagt, ich habe es nach 4 Tagen abgebrochen. Bis Sonntag hätte ich ursprünglich noch in Torrosh, genauer gesagt in der Stadt Ragbor mein Dasein als Ankou, Sklave des Hohepriesters Branning fristen dürfen.
Allerdings muß ich gestehen, daß ich das niemals ausgehalten hätte. Ich meine, könnt ihr euch vorstellen, für 9 Tage euer bisheriges Leben zu vergessen und komplett in einer anderen Zeit und Welt als anderer Mensch (oder Elf, Zwerg, Dämon, Org oder Gott) zu leben ? Ich konnte es nicht. Aber aufgewühlt durch die Artikel im Plastic Girl letztes Jahr und die Informationen von einigen Spielern, die ebenfalls im realen Leben dem Punk- oder Skinheadtum zugetan waren, wurde ich überzeugt mir ein eigenes Bild zu machen. Ich konnte mir nämlich kaum vorstellen, daß über 100 Menschen völlig unterschiedlicher Herkunft (sowohl räumlich als auch gesellschaftlich) über eine Woche tatsächlich, und ohne ständig Brüllkrämpfe vor Lachen zu bekommen, in alberne Kostüme schlüpfen und Herkules und Xena spielen und dabei tatsächlich eine realistische Spielhandlung zustande kommen kann. Das war für mich umso fraglicher als ob der Tatsache, hier würde nicht ständig ein Betreuer dabei sein, der einem sagt, was man denn so zu tun hätte. Das wurde nämlich alles schon im Vorfeld geklärt, wo jeder Spieler seinen Charakter umfangreich schriftlich erklären mußte und der Spielleitung vorlegte. Unstimmigkeiten wurden im Vorfeld ausgeräumt, was den Veranstaltern (www.dilettanten.de) wohl schlaflose Nächte ohne Ende bescherrt haben muß, denn wie ich mich selbst überzeugen konnte, ging es tatsächlich gut.
Die Gruppendynamik funktionierte ähnlich gut wie im ‚Herr der Fliegen', was die Sache zu einem echten Erlebnis machte. Alles was ihr gerne mal tun wolltet, im Rollenspiel ist das kein Problem. Wenn ihr Zaubern wollt... kein Problem. Bist du im echten Leben schüchtern, bau dir eine Rolle, die genau das Gegenteil ist und du entwickelst Fähigkeiten von denen du bisher nur geträumt hast.
Es ist unglaublich was für eine Bandbreite der Grenzerfahrungen sich dir auf so einem Fantasiespiel bietet. Alles was ich mir vorstellte, was nötig ist um so ein Spiel zum Erlebnis zu machen funktionierte wider Erwarten. Und so war ich überraschender Weise mit der Situation konfrontiert, daß das Unmögliche möglich wurde.

Damit war ich dann schon einmal etwas überfordert, denn das Spiel hätte insgesamt 9 Tage gedauert. Ich war damit betreut meinem Meister, dem Hohepriester Branning bei der Ausrichtung der rituellen Blutwoche zu assistieren, einem täglich stattfindendem Kampf auf Ruhm und Tod in der Arena von Ragbor zu Ehren des Gottes Yeah, was letztendlich bedeutete den Kämpfern unterstützende Handlangerdienste zu erweisen, ohne dabei versehentlich getötet zu werden.
Außerhalb der Kämpfe wollte ich als Art Sekretär meines Meisters unterwegs sein und mir still und klammheimlich mein eigenes Süppchen kochen. Schließlich war ich als Sklave eines Hohepriesters eine nahezu unantastbare Person. Wer mich töten würde, hätte arge Probleme, da ich als Statussymbol ziemlich wertvoll war. Dabei wollte ich mir das ganze Geschehen schön in Ruhe angucken. Allerdings hatte ich die Rechnung ohne die Eigendynamik gemacht.
Schon am ersten Tag profilierte sich die Gilde der Richter mit einem Erlaß ‚Sklaven dürften sich nur in Ketten bewegen', was meine Bewegungsfreiheit doch gewaltig einschränkte. Die Lösung war eine Kugel am Fuß, die mir eine relative Bewegungsfreiheit sicherte, die ich auch hemmungslos ausnutzte. So hörte ich vieles und erzählte um so mehr weiter.
Über meinen Status lies ich die anderen Mitspieler etwas im Zweifel, da mir meine tatsächliche Ungefährlichkeit als Erstspielercharakter nicht zum Schicksal werden sollte. Schließlich sorgte schon die Tatsache, daß ich als Sklave ein Schwert trug für Verwirrung, so daß es nicht wirklich schwierig war unangetastet zu bleiben. Allerdings genoß ich wirklich am meisten, als Leihgabe an die Hohepriesterin für einen Abend zu fungieren, was ich gerne auch die ganze Nacht gemacht hätte... tschuldigung.... in dieser Nacht, eine Nacht nachdem ich Zeuge war, wie ein anderer Sklave getötet und in einen Zombie verwandelt wurde, fiel dann auch schon der Bürgermeister der inneren Verwesung zum Opfer, was für Verwirrung sorgte, denn es starben bei der Explosion noch mindestens 50 andere höher gestellte Persönlichkeiten.
Das rief die Staatsanwaltschaft auf den Plan und die verbliebenen Mächtigen der Stadt trafen sich zur Beratung, wer denn der neue Bürgermeister werden sollte. Ohne mich davon in Kenntnis zu setzen, erfuhr ich dann, daß tatsächlich ich gehandelt wurde und nur knapp um eine Stimme scheiterte. Dieses führte dazu, daß ich übermutig, meiner Existenz als Sklave überdrüssig wurde, und großspurig überall erzählt, daß ich bald durchdrehen würde und aus Spaß eine hohe Persönlichkeit töten würde... dies sties auf Verwunderung ob meines Standes und der großen Worte....
... und in der darauffolgenden Nacht wurde ich, bevor die Orks (grüne Hilfspolizisten mit hohem Gewaltpotential und niedrigem IQ-à siehe Photos) in der Nacht ihre Machtstellung in Ragbor behaupteten, indem sie die potentiellen Gegener vernichteten, aus dem Nachtlager gerissen, weil ich angeblich einen Mordanschlag auf einen hohen Richter verübt hatte und dabei gesehen wurde.....aber das soll jetzt gut sein, genau wie ich am nächsten Tag das Spiel beendete, weil ich nicht damit gerechnet hatte, daß das alles so real werden würde.... wer aber den ultimativen Kick sucht, der wende sich an www.dilettanten.de ...

Bis bald, Swen -

 

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